Interview mit Heiko Kist, Realschullehrer und Autor des Teacher’s Guide The Simple Gift
Das Geschenk einer kleinen Lektüre mit großen Möglichkeiten
Ernst Klett Sprachen: Herr Kist, Sie haben der Redaktion den Versroman The Simple Gift von Stephen Herrick vorgeschlagen. Was hat Sie an dem Buch gereizt?
Heiko Kist: „The Simple Gift“ habe ich vor vielen Jahren kennengelernt. Sofort zogen mich die Figuren in ihren Bann. Über die Jahre hinweg las ich es mehrere Male und empfand, dass der Roman auch meinen Schülerinnen und Schülern gefallen könnte. Die Themen wie Ausreißen und Neu beginnen, erste Liebe und Freundschaft könnten die Jugendlichen ansprechen.
EKS: Viele Lehrerinnen und Lehrer hatten auf der „didacta“ Zweifel, ob ihre Klassen sich auf eine verse novel einlassen würden. Wie war die Reaktion Ihrer Schülerinnen und Schüler?
HK: Ich hatte eigentlich nie Zweifel, dass die freie Versform eine Hürde in der 10. Klasse darstellen könnte. Der Roman liest sich wie ein epischer Text und drückt eindringlich die Gefühle der Protagonisten aus. Jeder Vers trifft ins Mark. Beim ersten Lesen in der Klasse bin ich zunächst nur kurz auf die Form eingegangen, erst später untersuchten wir die Wirkung bestimmter Verse. Die Schüler fanden die kurzen Kapitel und den Wechsel der Perspektiven motivierend.
EKS: Oft ist es bei der Auswahl von Lektüren eine besondere Herausforderung Geschichten zu finden, die Jungs und Mädchen gleichermaßen interessieren. Inwiefern ist die Geschichte von Billy, Caitlin und Old Bill auch für Jungs ansprechend?
HK: Ich denke, Billys Geschichte und Reise durchs Leben ist universell und zeitlos. Er ist einer, den man gern zum Freund hätte und mit dem sich Jungs identifizieren können. Identifikation ist ein Schlüssel zur Lesemotivation. Alle drei Hauptfiguren sind auf ihre Weise außergewöhnlich in ihrem Handeln und Sein. Herricks freie Verse reduzieren die Geschichte auf das Wesentliche. Er wägt jedes Wort ab, setzt es zielgerecht ein und wird dadurch sehr poetisch und berührend in seiner Sprache. Sowohl Schüler als auch Schülerinnen genossen die Prägnanz des Romans.
EKS: Sie nutzen gemeinsame Lesewochen, um den Lesespirit der Klasse zu fördern. Wie läuft der Unterricht ab?
HK: Ich lese in meinen Realschulklassen am Anfang sehr viel im Klassenverband laut vor und wir tauchen somit langsam in die Story ein. Dabei versuche ich, motivierende Aufgaben zu erstellen, die kreativ-produktiv mit dem Roman umgehen. Zudem binde ich immer wieder kleine Lektüreprojekte in die Lesewochen ein.
EKS: Betten Sie auch differenzierende Elemente ein?
HK: Durch die Erarbeitung des Romans in Form eines Lesetagebuches biete ich immer wieder differenzierte Aufgaben zur Auswahl an. Auch mit „reading buddies“ zu arbeiten, bietet eine tolle Differenzierungsmöglichkeit.
EKS: Im Teacher‘s Guide stellen Sie unterschiedliche Lesevariationen vor: Lektüre als gemeinsames Lesen, selbständiges Lesen mit exemplarischer Besprechung oder selbständiges Lesen mit Bearbeiten von Projekten. Für wen ist was geeignet?
HK: Ich persönliche lese gemeinsam mit den Klassen und bearbeite schrittweise die Aufgaben. Die beiden anderen Lesevariationen bieten sich für das Gymnasium an, da dort oftmals die Lektüren als Langzeithausaufgabe aufgegeben und im Anschluss besprochen werden. Ich finde die Schüler sind näher an der Thematik dran, wenn man viel im Klassenverband liest, Aufgaben erarbeitet und kleine Leseeinheiten mit passenden „tasks“ als Hausaufgabe aufgibt.
EKS: Herr Kist, wir danken Ihnen für den interessanten Einblick in Ihre Lektürearbeit.
Steven Herrick
The Simple Gift
186 Seiten
978-3-12-578201-3