Es sind erschreckende Zahlen: Weltweit können mindestens 773 Millionen Jugendliche und Erwachsene immer noch nicht lesen und schreiben, und 250 Millionen Kinder erwerben keine grundlegenden Lese- und Schreibfähigkeiten.
Seit 1966 versucht die UNESCO jedes Jahr am 8. September mit dem Weltalphabetisierungstag auf die Situation von Menschen aufmerksam zu machen, die nicht ausreichend lesen und schreiben können. Mit diesem Tag soll weltweit in der Bevölkerung ein Bewusstsein geschaffen werden für die Problematik, die sich daraus für die Betroffenen ergibt.
Daneben sollen auch alle an Bildung beteiligten Akteure ihre Rolle und ihren Beitrag zur Alphabetisierung reflektieren. Auf der ganzen Welt finden an diesem Tag Aktionen und Veranstaltungen statt.
Die Betroffenen selbst jedoch sind oft nur schwer zu erreichen. Zu groß ist die Scham und zu stark das Bedürfnis die mangelnde Lese- und Schreibkompetenz zu verbergen.
Doch wo liegen die Ursachen, dass dies nicht nur in Entwicklungsländern mit unzureichenden Bildungsystemen der Fall ist, sondern auch in technisch, sozial und kulturell gut entwickelten Ländern wie Deutschland, wo „mehr als 6,2 Millionen Erwachsene nur über unzureichende Kenntnisse im Lesen und Schreiben verfügen. Diese können einfache Texte weder lesen noch schreiben und gelten als gering literalisiert „(Uni Hamburg, LEO 2018).
Man spricht dabei auch vom sogenannten funktionalen Analphabetismus, d. h. die Lese- und Schreibfähigkeiten der Betroffenen reichen nicht aus, um am gesellschaftlichen Leben in einer von Medien geprägten Welt teilzunehmen.
Schrift ist in der heutigen Gesellschaft omnipräsent. Wer nicht lesen und schreiben kann, der hat auch schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt, was wiederum eine stärkere finanzielle Abhängigkeit zur Folge hat.
Bei der Suche nach Ursachen wird nach „kulturellen und sozialen Faktoren“, „schulischen Faktoren“ und „individuellen Faktoren“ unterschieden.
Hervorzuheben ist, dass funktionaler Analphabetismus nicht als individuell verschuldet angesehen werden kann, sondern vielmehr ein strukturelles Problem darstellt und als gesamtgesellschaftliches und damit bildungspolitisches Problem zu betrachten ist.
Als konkrete Gründe werden häufig folgende Angaben gemacht:
- Fehlzeiten in den ersten beiden Schuljahren wegen Krankheit, häufige Schulwechsel etc.
- Nichtbeachtung, mangelndes Verständnis und/oder unzureichende Unterstützung durch die Lehrkräfte
- häufige Wechsel der Lehrkräfte und Unterrichtsmethoden
- ungünstige familiäre Bedingungen wie Arbeitslosigkeit, Krankheit der Eltern etc.
- anregungsarmes Umfeld und unzureichende Lese- und Schreibvorbilder durch die Eltern
- unentdeckte und/oder nicht therapierte gesundheitliche Störungen des Kindes (z. B. Seh- oder Hörschwierigkeiten).
- Der Aufbau eines positiven Selbstwertgefühls und Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten konnte nicht ausgebildet werden
- Des Weiteren können Lese- und Schreibkenntnisse auch wieder verlernt werden, wenn sie zu selten angewandt werden.
Aber auch globale Ereignisse können sich negativ auf die Alphabetisierungsrate auswirken. „Schulschließungen und -störungen, die durch die Pandemie verursacht wurden, haben wahrscheinlich zu Lernverlusten und -abbrüchen geführt. Dies gilt insbesondere für gefährdete Bevölkerungsgruppen.“ (Audrey Azoulay Generaldirektorin der UNESCO)
Alphabetisierung voranzutreiben ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der neben den Bildungsinstitutionen auch jeder einzelne gefragt ist, aufmerksam durchs Leben zu gehen und jenen, die weniger gut lesen und schreiben können, Hinweise zu geben, wo sie Hilfen finden können, damit lebenslanges Lernen auch für sie machbar wird.