Ein Interview mit der Deutschlehrerin Maja Mikuli´c
Janik und Samuel verbindet eine intensive Freundschaft, obwohl sie unterschiedlicher kaum sein können: Janik hat liberale Eltern, die alles so richtig machen, dass es beinah unerträglich ist. Samuels Mutter ist alleinerziehend und bekommt ihr Leben nicht in den Griff. Dann passiert etwas, das ihre Freundschaft fast zerbrechen lässt. Dennoch reisen sie gemeinsam nach Istanbul auf der Suche nach Samuels Vater und einem freien, selbstbestimmten Leben. Doch ist dies, nach all dem was geschehen ist, überhaupt noch möglich?
Die für die Schule aufbereitet Ausgabe von Finn-Ole Heinrichs Räuberhände ist seit letztem Jahr bei Ernst Klett Sprachen erhältlich. Ein Grund für die Redaktion unseres Magazins Lesen fürs Leben die Deutschlehrerin Maja Mikulić, die mit der Lektüre im Unterricht gearbeitet hat, zu treffen, und nach ihren Erfahrungen zu fragen
Interview
2013 und 2014 war „Räuberhände“ Abiturprüfungsthema an allen Hamburger Oberstufen. Sie sind Lehrerin für Deutsch und Deutsch als Zweitsprache in Hessen. Dort war die Lektüre noch kein Abiturprüfungsthema. Warum haben Sie sich dazu entschieden, Räuberhände als Unterrichtslektüre auszuwählen?
Ich habe eine Lektüre zum Thema „Identitätsfindung“ gesucht, die keine klassische Deutschlektüre ist. So kam mir die Idee, Räuberhände im Unterricht zu lesen und damit auch den Wunsch meiner SuS zu erfüllen, einen aktuellen Text zu besprechen.
Worin liegt Ihrer Meinung nach das Potenzial der Lektüre für den Deutschunterricht?
Das Thema im Deutschunterricht der Oberstufe ist „Identitätsfindung“. Die Lektüre eignet sich perfekt, um die Möglichkeiten der Selbstfindung und Selbstverwirklichung im Unterricht zu thematisieren, denn die Geschichte von Janik und Samuel spricht die SuS in ihrem Entwicklungsprozess an. Beide Protagonisten stellen sich die gleiche Frage, die auch die SuS beschäftigt: Worüber identifiziere ich mich? Besonders Samuels Suche nach Heimat (Anm. d. Red.: Deutschland oder Türkei?) und Identität (Anm. d. Red.: Deutscher oder Türke?) eignet sich sehr gut für Klassen mit SuS, die vielfältig kulturelle Hintergründe mitbringen. Sie können sich nämlich mit Samuel und seiner Identitätssuche identifizieren.
Aber auch in der Erzählweise bietet der Text ein großes Potenzial für den Deutschunterricht, denn Janiks und Samuels Geschichte wird nicht chronologisch erzählt. Der Autor arbeitet mit verschiedenen Zeit- und Ortsebenen, was den Text besonders interessant und literarisch sehr ergiebig macht.
Wie fanden Ihre SuS Räuberhände?
Meine SuS haben die Lektüre mit großem Interesse gelesen und haben sich sehr engagiert in die Diskussion eingebracht. Das ist ja durchaus nicht selbstverständlich. Aber der Text hat sie offensichtlich sehr angesprochen und wirklich „abgeholt“.
Außerdem würde ich sagen, dass man mit bestimmten Büchern – und „Räuberhände“ ist so ein Buch – die Liebe zum Lesen erwecken kann.
Finn-Ole Heinrich
Räuberhände
214 Seiten
978-3-12-666711-1